Früherkennung schützt vor Nervenschädigung
Die ersten Symptome der Spinalkanalstenose, einer krankhaften Verengung des Wirbelsäulenkanals an der Hals- und der Lendenwirbelsäule, sind relativ unspezifisch, sollten jedoch ernstgenommen werden. Denn im fortgeschrittenen Stadium kann die Spinalkanalstenose, auch Spinalstenose oder Wirbelkanalstenose genannt, zu einer dauerhaften Schädigung der Nerven führen. Der Verlauf der Spinalkanalstenose erfolgt allerdings meist langsam, sodass sich die Beschwerden der Spinalkanalstenose durch eine konsequente Physiotherapie in der Regel gut lindern lassen.
Unsere Experten
Prof. Dr. med.
Michael Akbar
Orthopädie
Schwerpunkt Wirbelsäule
Chirurgischer Ärztlicher Direktor der MEOCLINIC
Prof. Dr. med.
Michael Akbar
Spine and Scoliosis Specialist
Prof. Dr. med.
Michael Akbar
Spine and Scoliosis Specialist
Was sind die Ursachen einer Spinalkanalstenose?
Wenn eine Spinalkanalstenose vorliegt, ist der Wirbelsäulenkanal, durch den das Rückenmark und die abgehenden Nervenwurzeln verläuft, verengt. Dadurch entsteht Druck auf das Rückenmark, die umliegenden Nerven und die Blutgefäße, was wiederum zu Schmerzen führt und langfristig die Nerven schädigen kann. Die Ursachen für eine Spinalkanalstenose liegen fast immer im alterungsbedingten Verschleiß (Degeneration), sodass das Krankheitsbild eher im fortgeschrittenen Alter (Einengung durch Knochenfüßchen (Spondylophyten), Bandscheibenvorwölbung, Pseudospondylolisthese (degeneratives Wirbelgleiten, Instabilität) auftritt; bei Frauen auch begünstigt durch hormonelle Veränderungen und Osteoporose. Wesentlich seltener ist die Spinalkanalstenose durch angeborenen Verengungen des Wirbelsäulenkanals bedingt.
Symptome und Beschwerden Spinalkanalstenose
Die durch die Spinalkanalstenose hervorgerufenen Beschwerden verstärken sich schleichend und werden deshalb von den Patienten zunächst oft nicht ernstgenommen oder mit „normalen Rückenschmerzen“ (chronische Lumbalgien) verwechselt.
Beschwerden Spinalkanalstenose – zu Beginn unauffällig, später belastend: Im Anfangsstadium der Spinalkanalstenose kommt es in manchen Fällen sogar zu keinerlei Schmerzen; die Verengung des Wirbelkanals bleibt unbemerkt. Mit der Zeit jedoch treten unspezifische Beeinträchtigungen auf – beispielsweise Ziehen, Drücken oder Schmerzen im Lendenwirbelbereich. Charakteristisch ist, dass die Schmerzen oft einseitig in eines der Beine ausstrahlen. Die Muskeln des Lendenbereichs sind dabei verspannt, wodurch die Flexibilität und auch die Faszien in Mitleidenschaft gezogen werden; die Beweglichkeit bei Spinalkanalstenose ist allgemein eingeschränkt.
Wird die Spinalkanalstenose nicht bemerkt und dadurch nicht rechtzeitig behandelt, gesellen sich zu den Schmerzen und Verspannungen häufig weitere, ernstzunehmende Beschwerden. Dazu gehören Empfindungsstörungen in den Beinen, aufgrund derer die Betroffenen wie auf Watte laufen, unter plötzlichem Kältegefühl unter den Fußsohlen leiden, unspezifisches Brennen und Kribbeln in den Beinen verspüren oder das Gefühl haben, es würden Ameisen über ihre Haut krabbeln. Die Beinmuskulatur ist geschwächt und die einseitigen Schmerzen können so stark werden, dass die Patienten dauerhaft nur sehr kurze Gehstrecken zurücklegen können.
Es können im weiteren Verlauf der Spinalkanalstenose auch Blasen- oder Mastdarmstörungen auftreten. Die Betroffenen haben dann Schwierigkeiten beim Wasserlassen und/oder beim Stuhlgang; ebenso kann sich Inkontinenz einstellen. Eventuell ist sogar die Sexualfunktion beeinträchtigt. In allerschwersten, seltenen Fällen kann die Spinalkanalstenose zu einer Querschnittslähmung führen: Die Erkrankten können ihre Beine nicht mehr bewegen und haben die Kontrolle über ihre Blase und ihren Darm verloren.
Ein besonderes Kennzeichen der Spinalkanalstenose vereint die schmerzhaften Beschwerden der Wirbelkanalverengung jedoch: Beim Gehen können tief-lumbal gelegene, ins Gesäß und Beine ausstrahlende Schmerzen auftreten (Claudicatio spinalis). Es können durch die Beinschmerzen nur noch kurze Gehstrecken am Stück zurückgelegt werden. Häufig wird berichtet, dass das Fahrradfahren einwandfrei funktioniert (gute Abgrenzung zur Schaufensterkrankheit). Meistens bessern sich die Beinschmerzen deutlich, wenn die Betroffenen sich in Positionen begeben, in denen sie ihren Rumpf nach vorne beugen – zum Beispiel beim Bücken, Bergaufgehen oder beim Fahrradfahren (Fahrradtest, Einnahme des Katzenbuckels), Hinsetzen oder Hinlegen. Starke körperliche Belastung, etwa das berufsbedingte Tragen schwerer Gewichte, kann den Verlauf der Beschwerden beschleunigen; hingegen ist moderate Bewegung zur Besserung angezeigt und hilft, die verkrampften Muskeln zu lockern und die Gelenke geschmeidig zu halten.
Wenn die Spinalkanalstenose im Halswirbelbereich vorliegt, leiden die Patienten ab einem gewissen Grad vorwiegend unter Nackenschmerzen und Verspannungen im Nacken-Schulter-Bereich. Allerdings werden auch Nacken-Schulter-Arm-Schmerzen (Zervikobrachialgie) angegeben und ggf. auch neurologischen Ausfallerscheinungen (Lähmung der Arme und Beine (gestörtes Gangbild) bei Schädigung des Rückenmarkes (Myelopathie) und Störungen im Blasen- und Mastdarmbereich auftreten.
Eindeutige Diagnose der Spinalkanalstenose nur durch bildhafte Verfahren
Eindeutig kann die Spinalkanalstenose nur anhand bildhafter Verfahren wie Kernspintomographie und Computertomographie diagnostiziert werden, da viele der Beschwerden der Spinalkanalstenose auch auf andere Krankheitsbilder der Wirbelsäule zutreffen können. Zunächst jedoch findet ein ausführliches Anamnesegespräch statt, in dem der Patient seine Beschwerden schildert und vom Arzt zu eventuellen Vor- oder Grunderkrankungen befragt wird. Hinzu kommt die körperliche Untersuchung: Der Patient vollführt unter der genauen Beobachtung des Arztes bestimmte Bewegungsabläufe, anhand derer er erkennen kann, welche Bewegungen die Schmerzen verstärken oder vermindern.
Hat sich der Verdacht auf eine Spinalkanalstenose erhärtet, erfolgt eine Überweisung zum Spezialisten, damit mit Hilfe eines bildhaften Verfahrens (meist MRT) eine eindeutige Diagnose erstellt werden kann. Allerdings muss eine Spinalkanalstenose nicht zwangsweise zu Beschwerden führen! Deshalb sollten andere Erkrankungen als Ursache der Beeinträchtigungen und Schmerzen unbedingt ausgeschlossen werden, auch wenn das MRT auf eine Verengung des Wirbelkanals hinweist.
Behandlung der Spinalkanalstenose oft erfolgreich
Bei der Behandlung der Spinalkanalstenose werden mehrere Ansätze miteinander zu einem modularen Behandlungskonzept kombiniert, was sich in der Vergangenheit als relativ erfolgreich erwiesen hat. Allerdings kann die Enge des Wirbelkanals mit der konservativen Therapie nicht grundlegend verändert werden. Stattdessen wird gezielt die Symptomatik gelindert und daran gearbeitet, das umliegende Muskel-, Faszien- und Nervensystem zu entlasten und möglichst intakt zu halten.
Mit Hilfe der klassischen Physiotherapie (entlordosiernde Verfahren) erfahren die Patienten bei konsequenter Anwendung meist eine baldige Erleichterung – etwa durch muskelentspannende Massageverfahren, Wärmetherapie, Lymphdrainage, Bäder, Moor- und Fangopackungen, Elektrotherapie oder Bewegungstherapie. Die Wirbelsäule zu entlasten ist Teil der Therapie aber gleichzeitig ist es unerlässlich, die Muskeln zu stärken – zum Beispiel durch gezieltes Training im Bereich des Stützapparates (Bauchmuskeln, Rumpfmuskulatur) und durch das Erlernen rückenschonender Haltungen im Alltag.
Bei starken Beschwerden der Spinalkanalstenose hat sich das psychologische Schmerzbewältigungstraining als sinnvoll erwiesen. Die Patienten lernen dabei, achtsam mit sich selbst umzugehen und sich nicht als Opfer ihrer Schmerzen zu fühlen, sondern ihm aktiv zu begegnen, ohne gegen ihn anzukämpfen. Alternative Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Meditation oder sanftes Rückenyoga, das auf das Beschwerdebild angepasst und vom Arzt genehmigt werden sollte, können sich ebenfalls positiv auf Körper, Kopf und Psyche auswirken.
Bei besonders akuten Fällen, die mit ständigen Schmerzen einhergehen, wird eine Physiotherapie oft erst möglich, wenn der Patient zuvor allopathisch mit Schmerzmitteln behandelt wird. Liegen leichtere Schmerzen vor, haben sich nicht-opioide Schmerzmittel bewährt. Nur bei starken Schmerzen werden den Patienten Opioide verschrieben.
Bei der fortgeschrittenen Spinalkanalstenose ist die konservative Therapie meist nicht erfolgreich und die Behandlung verläuft frustran. Bei fehlgeschlagener konservativer Therapie, beginnende Lähmung und hohen Leidensdruck (Einschränkung der Mobilität) des Patienten, wird eine Operation notwendig.
Dabei kommen unterschiedliche operative Verfahren zur Anwendung, um das Rückenmark und die Nerven zu entlasten. Bei erhaltener Stabilität können aus einer Vielzahl von Operationstechniken (die Wirbelkanalstenose beseitigende Verfahren) der individuell passende chirurgische Eingriff (Dekompression) ausgewählt werden. Bei nachgewiesener Instabilität (Pseudospondylolistese) kommen zusätzlich auch Implantate (Schrauben-Stab-System und Bandscheibenersatz) zum Einsatz, die die Wirbelsäule stabilisieren und die beschwerdeerzeugenden Bewegungen verhindern.